Mit der warmen Jahreszeit wächst bei vielen Katzen die Lust, sich mehr im Freien aufzuhalten. Gesicherte Balkone, Terrassen und Gärten mit attraktiven Sonnenplätzen laden zum Verweilen ein, und Freigänger wollen wieder weitere Kreise durch ihre Reviere ziehen.
Wohl denen, deren Fellnasen mittels einer Katzenklappe ein und aus gehen können! Wer keine Katzenklappe einbauen kann oder will, könnte jetzt nämlich ein Problem haben: Die Mieze will erst dringend raus, nur um sich dann Sekunden oder Minuten später für eine Rückkehr in die Wohnräume zu entscheiden, meist genau dann, wenn der Zweibeiner die Balkon- oder Terrassentür gerade wieder hinter ihr schließt.
Tatsächlich werde ich oft von Katzen-Concierges wider Willen gefragt, warum die Katze sich nicht endlich mal für Drinnen oder Draußen entscheiden kann. Angeblich verleitete solch notorischer kätzischer Wankelmut die französische EU-Ministerin Nathalie Loiseau sogar dazu, ihre Katze „Brexit“ zu taufen. (Ob das stimmt ist nicht verifizierbar, aber der Gag sorgte bei den Briten für ziemlichen Unmut.)
Die Wahrheit dürfte meiner Meinung nach wenig mit Unentschlossenheit zu tun haben, sondern in der Evolutionsgeschichte unserer Hauskatzen begründet sein: Bekanntlich sind sie die Nachfahren territorialer Tiere, in deren Gedächtnis ein sehr genauer mentaler Lageplan ihres Reviers gespeichert ist. So ein Plan existiert auch in den Köpfen unserer kätzischen Mitbewohner, und er beinhaltet überlebenswichtige Details, zu denen unter anderem Informationen über Rückszugsorte, Verstecke und Fluchtwege gehören.
Wird nun eine Balkon- oder Terrassentür wiederholt hinter der Katze geschlossen, sobald sie die sicheren vier Wände – das Kerngebiet ihres Reviers – verlässt, schlägt ihr Instinkt Alarm: Achtung, sicherer Fluchtweg ist abgeschnitten! Besonders wenn es sich um den einzigen Ein- und Ausgang handelt, wird die Katze skeptisch sein und lieber gleich den Rückweg antreten, obwohl sie eigentlich gerne längere Zeit draußen bleiben würde.
Eine weitere Rolle spielen meiner Erfahrung nach das Selbstvertrauen der Katze sowie ihr Vertrauen in die zweibeinige Türöffnerin: Je souveräner die Katze im Freien ist, desto weniger bringt eine sich hinter ihr schließende Tür sie aus der Ruhe. Und je zuverlässiger sich der Mensch als Türöffner verhält, desto entspannter ist die Katze.
Auch ich muss meine Kater „von Hand“ ein und aus lassen, bin aber immer hier, wenn das Trio in den Garten darf. Möchten die bepelzten Herren wieder ins Haus, wird eben an der Terrassentür gekratzt und fordernd miaut. Die drei wissen ja, dass ihr Personal brav darauf reagiert und ihnen spätestens nach einer Minute die Tür öffnet.
In der Natur werden Katzen zwar auch gelegentlich mit neuen Hindernissen konfrontiert, die sie zwingen, ihren mentalen Revierplan anzupassen, zum Beispiel durch Überschwemmungen oder einen Erdrutsch. Aber solche Hindernisse existieren über längere Zeit hinweg und sind nicht unberechenbar wie Türen, die unzählige Male am Tag auf und zu gehen.
Unterm Strich bleibt das Fazit: Türen sind und bleiben ein Affront gegen die Katzenheit!