Nie hätte ich mir träumen lassen, dass mein erster Blogeintrag ein so bitteres Thema wie Krieg und Kriegserfahrungen thematisieren würde. Der derzeitige Krieg gegen die Ukraine hinterlässt in der Tat Kratzspuren – in den Seelen von Menschen und ihren Katzen. Viele möchten helfen und erklären sich bereit, Pflegetiere oder vierpfotige Kriegswaisen aufzunehmen.
Bevor man diesen Schritt geht, sollte man sich jedoch darüber im Klaren sein, dass diese Tiere gerade im Mehrkatzenhaushalt eine besondere Herausforderung darstellen. „Pflegis“ und neue HalterInnen sollten daher viel Zeit einplanen, damit die Katze richtig ankommen kann.
Ist es für Menschen schon schwer, ihre schlimmen Erfahrungen zu verarbeiten, so ist dies für Tiere ungleich schwerer. Sie können nicht wissen, dass der Hubschrauber, der ihr neues Heim überfliegt, harmlos ist und dass ein rumpelnder Güterzug keine Panzer mit nachfolgendem Beschuss ankündigt.
Entsprechend schreckhaft und reaktiv sind Katzen mit Kriegstraumata selbst in der liebevollsten, sichersten Umgebung. Angst und daraus folgende Aggression, die vor allem zu Missverständnissen mit tierischen Mitbewohnern führt, können in Sekundenbruchteilen getriggert werden.
Daher sollte selbst die sozialste Katze in ihrer Pflegestelle oder ihrem neuen Heim idealerweise erst mal ein Zimmer für sich bekommen und ihre neuen Mitbewohner nur im Beisein des Menschen durch eine Gittertür kennenlernen dürfen. Insbesondere wenn das nicht machbar ist, richten Sie bitte zusätzliche Verstecke und Rückzugsorte (z.B. Höhlen und hohe Regalplätze mit Sichtblenden) ein, damit die Gefahr von Kämpfen um begehrte Plätze eingedämmt wird.
Pheromonstecker tragen ebenfalls zur Entspannung bei. In der jetzt anstehenden warmen Jahreszeit sollte man allerdings darauf achten, dass die Wirkung nicht durch offene Fenster verpufft. Ein Pheromonstecker reicht für etwa 20 Quadratmeter.
Hilfreich sind auch Nahrungsergänzungsmittel, die die Hirnchemie positiv beeinflussen. Geeignet sind Präparate auf der Basis von L-Theanin, L-Tryptophan und Alpha-Casozepin. Diese Substanzen wirken nachweislich angstlösend und helfen der Katze, sich stressfreier einzuleben. Das gilt auch für CBD-Öl (THC-freies Hanföl), das speziell für Katzen aromatisiert im Handel erhältlich ist.
Bei einer schweren Angststörung der Katze, die sich z.B. durch schreckbedingten spontanen Kot- und Urinabsatz, Schreien oder Autoaggression (Fellausrupfen und Kahllecken, nicht spielerisches Schwanzjagen) äußern kann, konsultieren Sie bitte umgehend eine katzenerfahrene Tierarztpraxis, die ggf. Psychopharmaka verordnet.
Ist die Katze menschenbezogen und dafür offen, bieten Sie viel interaktives Spiel an. Bitte hierfür die neue Katze jeweils für ein paar Minuten separieren, falls Mitkatzen ihr sonst „in die Parade“ fahren würden. So kann Ihr Neuzugang Stress über Bewegung und die so wichtige Jagdsequenz inklusive Belauern und Ansitzen abbauen.
Das für Katzen ebenfalls essenzielle Gefühl von Kontrolle und Selbstwirksamkeit liefern Intelligenzspielzeuge, aus denen das Tier sich Leckerbissen selbst „erarbeiten“ darf. Nassfutter oder Schleckpasten aus einer Leckmatte wirken dagegen beruhigend und können von anwesenden Angstauslösern ablenken.
Jede positive Interaktion trägt dazu bei, dass traumatische Erinnerungen schneller in den Hintergrund treten und mit Glück nicht so nachhaltig im Gedächtnis gespeichert werden!
Entgegen der landläufigen Meinung, dass junge Tiere schlimme Erfahrungen eher „wegstecken“, speichern diese schlechte Erfahrungen nachhaltiger ab als ältere Tiere, die auf ein Leben voller Liebe und Geborgenheit zurückblicken. Tatsächlich schütteln Letztere schlimme Erlebnisse oft schneller ab, sind also resilienter, wie die Verhaltensbiologen es nennen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Katzen von Herzen, dass Sie Wege aus der Angst finden!